Nala
Buch 7
Nala

Als Nala etwa sieben Wochen alt war, geschah das Unglück. Niemand wusste genau, wie das kommen konnte. Natascha vermutete, dass sie vom Kratzbaum gefallen und irgendwo aufgeprallt war. Dabei hatte sie sich am Rücken verletzt und sich eine irreparable Behinderung zugezogen. Sie konnte die Rückhand nicht mehr richtig kontrollieren, schwankte bei Gehen, als sei sie betrunken. Doch sie konnte gut damit umgehen. Ihre Vorderbeine waren stark und vollkommen in Ordnung. Sie konnte somit ihre Schwäche in den Hinterläufen ausgleichen.
Natascha konnte das Kätzchen niemandem abgeben. Wer wollte schon ein behindertes Tier, das sein Leben lang mit einem Handicap leben musste? Die Geschwister waren vollkommen gesund und durften schon bald in ihr neues Zuhause umziehen. Nala blieb noch länger bei ihrer Mutter. Als Tina das kleine Wesen sah, stand ihr Entschluss fest. Sie würde Nala bei sich aufnehmen. Sie hatte die Geduld und das Verständnis für ein behindertes Tier.
Sie erkundigte sich, um welche Krankheit es sich hier handelte und erfuhr, dass Ataxie bei einigen Katzen vorkommt. Früher hatte man diese Tiere erlöst. Doch heute hat man festgestellt, dass die Katzen gut damit leben können. Es gibt die Krankheit in starker oder schwächerer Form. Manche Tiere können nicht mal alleine aufs Katzenklo oder fallen bei jedem zweiten Schritt um. Diese sind extrem auf den Menschen angewiesen, könnten alleine nicht zurechtkommen. Nala hatte Gott sei Dank keine starke Ausprägung von Ataxie. Ihr Gang war einfach wacklig, und auf glatten Böden fiel sie manchmal um, meistens wenn sie mit Manolo durch die Zimmer raste. Es gibt bei Ataxie-Katzen aber noch andere Probleme. Diese Krankheit kann auch aus anderen Gründen entstehen als durch einen Unfall. Es gibt Tiere, bei denen das Knochenmark geschädigt ist oder Ataxie auf Grund eines Schadens im Gehirn entstanden ist.
Tina las viel im Internet über die Krankheit. Sie wollte wissen, was sie tun musste, damit es Nala bei ihr schön hatte. Es gab gewisse Dinge, die es zu beachten gab, damit sich die Krankheit nicht noch mehr ausprägte.
Für Nala war das alles kein Problem. Sie hatte gelernt mit ihrer Behinderung zu leben. Dafür war sie ein äusserst anhängliches Kätzchen, das am liebsten ununterbrochen bei Tina auf dem Schoss lag. Schon wenn man Nala anschaute, schnurrte sie. Nachts lag sie Kopf an Kopf bei Tina im Bett. Ihr extrem liebes Wesen war der Ausgleich für ihre Krankheit. Zudem war sie auch äusserlich bezaubernd. Sie war uni grau mit weissen Pfoten. Noch hatte sie den Kinderflausch, doch eines Tages würde sie halblanges Haar bekommen, wie ihre Mutter. Als Nala bei Tina einzog war sie sechs Monate alt.

Doch diese Ueberlegung war falsch. Kurz vor Pfingsten spürte Tina beim Streicheln Bewegung in Nalas Bauch. „Oh mein Gott, sie ist trächtig.“ Was sollte sie nur tun? Würde Nala die Geburt überstehen? Wann war es wohl so weit? Wieso hatte die Pille nichts genützt? Es ging ihr so viel durch den Kopf und Tina wusste nicht recht, was sie machen sollte. Aber Zeit hatte sie keine mehr. Am Pfingstsonntag ging es los. Nala bekam Wehen. Aber sie war noch viel zu klein mit ihren acht Monaten und wusste überhaupt nicht, was da bei ihr los war. Als die Geburt nicht vorwärts ging, packte Tina die Katze ein und brachte sie zu Natascha.

An kalten Winterabenden sass Tina daheim und las. Neben ihr hatten sich ihre Katzen aufs Sofa gelegt und drückten den Kopf an ihren Schoss. Tina hatte von einer älteren Dame ein paar Geschichten erhalten, die sie schon lange einmal lesen wollte. Leider kam sie nie dazu. Nun hatte sie etwas Zeit. Der Inhalt dieser Geschichten erinnerte sie an ihr eigenes Leben mit ihren Tieren.